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Argumente gegen Software-Patente

Am 25.09.2004 referierte Richard Stallman in Stuttgart über das Thema Software-Patente. Im folgenden will ich die wichtigsten Argumente aus dem Vortrag wiedergeben, nicht den Vortrag selbst. Nach Überarbeitungen und Ergänzungen wird sich der Text vom Vortrag entfernen.

1. PRO

Fangen wir mit der Argumentationskette an, die immer kommt, wenn man mit gebildeten Menschen über Patente diskutiert: Ein kleiner Entwickler tüftele in seiner Garage jahrelang eine neue Erfindung aus. Wenn er mit seiner Erfindung auf den Markt ginge, käme ein großes Unternehmen und baue seine Idee einfach nach. Ohne Entwicklungskosten zu haben dränge das Unternehmen den kleinen Entwickler aus dem Markt und der kleine leide nun Hunger. Nur dank Patenten könnten die kleinen geschützt werden und so die Früchte ihrer Forschungsarbeit ernten.

Das hört sich überzeugend an, ist aber oberflächliche Propaganda wie sich gleich zeigen wird.

1a. CONTRA

In der realen Welt gibt es so gut wie keine kleinen Erfinder mehr, die in ihrer Garage etwas erfinden. Das war vielleicht vor 100 Jahren möglich, in unser moderenen Gesellschaft ist das aber kein gangbarer Weg mehr. (Der Wahrscheinlichkeit, damit erfolgreich zu sein nähert sich der Gewinnmöglichkeit eines Lotto-Spiels.)

Die Erfinder stehen heutzutage in Lohn und Brot und müssen nicht verhungern, wenn es kein Patentrecht gibt.

"Dann seien es eben nicht kleine Erfinder, dafür dann aber kleine Unternehmen, denen der Verdienst für ihre Forschungsarbeit entginge, wenn andere Unternehmen jede Idee klauen könnten..."

Ein grober Trugschluß, denn ...

1b. CONTRA

In der Realität betreiben große Unternehmen bzw. Konzerne sogenanntes "Cross Licensing". Es ist heutzutage unausweichlich, dass ein Konzern etwas produzieren möchte, worauf ein anderer Konzern aus der gleichen Branche ein odere mehrere Patente hält. Aus praktischen Gründen vereinbaren nun die großen Unternehmen, dass beide Parteien die Patente des jeweils anderen verwenden dürfen. Dadurch spart man sich nervige Auseinandersetzungen unter gleichen vor den Gerichten, die mit hohem Aufwand und unnötigen Kosten verbunden wären und es entsteht eine sogenannte Win-Win-Situation für beide Parteien. Clever.

Wenn nun ein kleiner Erfinder (besser ein kleines Unternehmen) daherkommt und mit seinem einzelnen Patent wedelt um zu verhindern, dass ein Konzern seine Idee klaut, dann sagen die 12 Anwälte aus der Patentabteilung des Konzerns: "Gut, wir können Ihre Idee so nicht klauen, aber wir haben hier dieses Patent und jenes Patent und dann noch dieses Patent, die einzelne Teile Ihres Produkts direkt betreffen. Wir sollten ein Cross-Licensing-Abkommen schließen." Was bleibt dem kleinen Unternehmen übrig? Entweder auf das Abkommen eingehen oder nicht produzieren. Die Folge: Ab sofort kann der Konzern die Erfindung des kleinen Unternehmens problemlos produzieren und wird damit zum direkten Konkurenten des kleinen. Das kleine Unternehmen darf nun natürlich auch die Patente des grossen mitnutzen... aber was bringt dem kleinen das? Die betroffenen Märkte sind ja schon längst vom großen besetzt und billiger wird er nie produzieren und verkaufen können.

In echten Leben wird der kleine Erfinder also ebenso um seine Erfindung gebracht, wie wenn es kein Patentrecht gäbe!

2. PRO

Oft argumentieren Patentbefürworter, dass in den USA, wo es seit 1980 Patente auf Software gibt, sogar die meisten Computer-Anwender weltweit lebten - die Branche scheine durch Patente zu blühen.

2. CONTRA

Das ist reine Heuchelei, denn auch vor 1980 gab es in den USA schon die meisten Computer-Anwender. Damals gab es dort noch keine Software-Patente, und wer behauptet, dass die Situation durch Patente besser geworden sei, täuscht seine Gesprächspartner.

3. PRO

Ein weiterer Punkt, den Patentbefürworter gerne aufgreifen ist, dass andere Branchen als die Software-Technik doch auch mit dem Patentrecht zurechtkämen.

3. CONTRA

Klar, weil die einen an Krebs erkranken, müssen ihn auch alle anderen bekommen.

Ernsthaft - in anderen Branchen betrifft das Patentrecht nur die produzierenden Marktteilnehmer, die eine vergleichsweise übersichtliche Gruppe bilden. Software-Patente betreffen jedoch ALLE Menschen (auch privat), nicht nur eine begrenzte Anzahl Fabrikanten einer bestimmten Branche. Als Beispiel braucht man nur an die ganzen Kids denken, die Programme schreiben und diese auch gerne ins Web stellen. Programmierung wird heute an jeder besseren Schule gelehrt. Patente auf Software schränken damit die Freiheit aller Menschen ein, nicht nur die einiger Fabrikanten.

Ein weiterer Unterschied zu anderen Branchen ist, dass die Programmierung von Software ausschließlich Logikprodukte hervorbringt - basierend auf Mathematik. (Mathematik wird aber nicht "erfunden" sondern "gefunden". 1 + 1 = 2 war schon gültig, bevor irgendein Tier zu zählen begann. Man entdeckt die Mathematik aber man kann nicht erfinden, was schon immer da ist.

Software kennt auch die Probleme, die die Patentierbarkeit einer Lösung ausmachen, nicht. Wenn man eine while-Schleife schreibt, so fängt das Programm an anderen Stellen nicht an, durch induzierte Schwingungen zu vibrieren und auseinander zu brechen. Eine if-Verzweigung kann nicht in einer Überhitzung eines anderen Programmteils enden, die das Programm dann ausdehnt und dadurch Risse in einer Schweißnaht verursacht.

Noch ein Unterschied zu anderen Branchen: Software zu schreiben ist nicht schwieriger als andere Ingenieursprodukte zu fertigen und erfordert auch keine intelligenteren Leute. Aber durch ihren virtuellen Charakter ist Software unendlich oft ineinander schachtelbar und nicht an räumliche Grenzen gebunden. Dies ermöglicht, daß Software um Größenordnungen komplexer werden kann, als körperliche Produkte. Die Software, die Sie auf Ihrem Computer im Allgemeinen einsetzen, dürfte aus mehreren Millionen Zeilen reinem Programmcode bestehen. Das ist massiv komplex!

Bis dato wurden bereits ca. 30000 Software-Patente durch das Europäische Patentamt erteilt, obwohl Software gesetzlich als nicht-patentierbar festgeschrieben steht. (Das Patentamt verdient schließlich sein Geld mit Patenten). Bei Einführung von Software-Patenten werden diese im Nachhinein legalisiert und es werden Hundertausende und Millionen neue Patente dazukommen.

Jemand der nun noch annimmt oder behauptet, es sei in der Praxis für einen Programmierer irgendwie ermittelbar, ob und wo er wann welches Patent warum verletzt, muß wirklich gefragt werden, ob er auch glaubt, Wasser fließe den Berg nach oben. Genauso abseits jeglicher Realität ist die Vorstellung, daß außer den großen Konzernen irgend jemand in der Lage sei, SW-Patentverstöße umfassend zu ermitteln und verfolgen: Die Trilliarden Zeilen an Programmcode da draußen sind nicht nur wirklich viel, sondern zumeißt auch Betriebsgeheimnis und unter Verschluß.

Die von Physik oder Chemie betroffenen Teile eines Computers (etwa der Prozessor, Speicher, etc.) stehen ja bereits unter dem gängigen Patentrecht. Software ist Logik und ein bisschen Prosa und liegt damit auf einer völlig anderen Ebene: nämlich auf der von Büchern und Musik und das alles unterliegt vernüftigerweise dem Urheberrecht. Nach meiner Überzeugung steht Software sogar unter dem Schutz der Freien Rede! Das Recht, Software zu schreiben muss das Recht aller bleiben - und darf nicht zur Geisel weniger Konzerne werden.

Es gibt soviel unerwähnte und trotzdem naheliegende Gründe gegen Software-Patente, daß man noch einige weitere Seiten damit füllen kann.

-- DanielWimpff - 29 Sep 2004